Roger Melis (1940-2009) – Auf dem Rummel, Berlin (1969)

 

27. April – 22. Juni 2019

Eröffnung: 26. April 2019 | 19–21 Uhr

 

Kaum ein zweiter Fotograf hat die Ostdeutschen und ihre Lebenswelt so lange, so intensiv und in so vielen Facetten beleuchtet wie Roger Melis (1940 – 2009). Drei Jahrzehnte lang bereiste der Mitbegründer und »Meister des ostdeutschen Fotorealismus« (DIE ZEIT) von Berlin aus die DDR als ein Land, das er unter der Herrschaft der SED oft als »still« und erstarrt empfand. Als nüchterner Beobachter und Chronist dokumentierte Melis in dichten, oft symbolhaften Fotografien das Leben der Menschen in Stadt und Land. Seine behutsamen und eindringlichen Porträts und Reportagen entwerfen ein vielschichtiges Bild der Ostdeutschen in den Jahren zwischen dem Bau und dem Fall der Mauer. 

 

Parallel zu der von Mathias Bertram kuratierten Retrospektive „Die Ostdeutschen“, die vom 12. April bis 28. Juli 2019 in der Stiftung Reinbeckhallen in Berlin Oberschöneweide stattfindet, zeigt Loock im Showroom der Galerie die aus 12 Vintages bestehende Serie „Auf dem Rummel, Berlin“ (1969). Roger Melis fertigte die Reportage möglicherweise im Rahmen seiner Bewerbung beim Verband Bildender Künstler, in den er 1968 als Kandidat und 1971 als Mitglied aufgenommen wurde. Sie entstand jedenfalls ohne Auftrag und blieb damals unveröffentlicht.

 

Volksfeste und Rummelplätze boten in der relativ streng reglementierten Öffentlichkeit der ehemaligen DDR eine Gelegenheit zu einem ungezwungenen Zusammensein ohne politischen Hintergrund, die auch gern von Jugendlichen genutzt wurde. Melis beobachtete die Gruppe von Jugendlichen auf dem Rummelplatz in der Michelangelostraße des Berliner Bezirks Prenzlauer Berg. Selbstbewusst, herausfordernd und in Kleidung und Habitus an der westlichen Jugendkultur orientiert, entsprachen sie sicherlich nicht den Idealen der Partei und ihrer Jugendbewegung, der Freien Deutschen Jugend (FDJ). 

 

Anlässlich der Ausstellung in den Reinbeckhallen erscheint im Lehmstedt Verlag das zweisprachige Begleitbuch „Die Ostdeutschen | The East Germans“ mit zahlreichen bislang unbekannten Fotografien aus dem Nachlass. Der Band erweitert das Porträt der „Ostdeutschen“, das Roger Melis bereits 2007 mit seinem Erfolgsbuch „In einem stillen Land“ entwarf und nunmehr ebenfalls in einer zweisprachigen Neuausgabe vorliegt.

Seine Fotografien wurden in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt u.a.: Literaturmuseum der Moderne, Marbach am Neckar (2018/19); Side Gallery, Newcastle (2018); Kunsthalle Rostock (2016/17);
C/O Berlin (2010, 2016/17); Berlinische Galerie (2012/13); Suermondt-Ludwig Museum, Aachen (2009); Kunstgewerbemuseum, Berlin (2009); Akademie der Künste, Berlin (2009); Forum für Fotografie, Köln (2005); Museum Bad Arolsen (2003); Kunstforum der Grundkreditbank, Berlin (2002); Willy-Brandt-Haus, Berlin (1999, 2000, 2005, 2007); Musée de l‘ Elysée, Lausanne (1990); Deutsches Historisches Museum, Berlin (1990).

 

Werke von Roger Melis befinden sich in folgenden privaten und öffentlichen Sammlungen: Akademie der Künste, Berlin; Berlinische Galerie; Brandenburgisches Landesmuseum für moderne Kunst, Cottbus; Deutsches Historisches Museum, Berlin; Deutsches Literaturarchiv, Marbach; Musée de l‘Elyseé, Lausanne; Haus der Geschichte, Bonn; Kupferstich-Kabinett, Dresden; Sammlung Reinbeckhallen, Berlin; Sammlung Gabriele König, Aachen u.a.

 

Text: Mathias Bertram